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Wenn es an Visionen mangelt, kommt es zu Konflikten



Die Erfahrung zeigt, dass Organisationen, in denen die gemeinsame Vision und ihr primärer Zweck aus der alltäglichen Kommunikation verschwunden sind, häufig mit destruktiven Konflikten zu kämpfen haben.

Der Zusammenhang zwischen den beiden Phänomenen ist durchaus plausibel. Dort, wo ein Prozess der Visions- und Leitbildentwicklung angestoßen werden konnte, wurden Konflikte nach und nach überwunden.


Persönliche Autonomie und das große Ganze

Menschen neigen dazu, ihre Partikularinteressen zu verfolgen und ihrem Grundbedürfnis nach Autonomie Spielraum zu geben. In einer Organisation sind sie jedoch zumeist stillschweigend bereit, ihre persönlichen Interessen zugunsten gemeinsamer Interessen hintenanzustellen. Aus bewusster oder unbewusster Einsicht messen sie dem Wohl des Ganzen einen sehr hohen Wert zu. So geben sie freiwillig einen großen Teil ihrer Autonomie auf, um sich in ein hierarchisches System einzufügen, von dem sie im Gegenzug optimale Arbeitsbedingungen erwarten.

Dieser psychologische Vertrag mit der Organisation funktioniert auf der Grundlage des Vertrauens, das die Person in das große Ganze, in die Vision und die Mission des Unternehmens hat: Gemeinsam können wir etwas Wichtiges erreichen, das für mich, für meine Kollegen aber auch für den Rest der Welt von Wert ist.

Manchmal liegt es gerade am Erfolg des Unternehmens, dass Management und Mitarbeiter die ursprüngliche Idee aus den Augen verlieren. Wachsende Bürokratie und ein übermäßiger Fokus auf kurzfristige wirtschaftliche und finanzielle Ziele tragen ebenso dazu bei. Die Konsequenzen eines solchen kollektiven Bezugsverlustes können gravierend sein und werden häufig unterschätzt.


Die Sehnsucht nach Sinn

Menschen sehnen sich danach, in dem, was sie tun, einen Sinn zu erkennen. Das ist keine "Option", auf die man verzichten oder die man durch Geld ersetzen kann. Der berühmte Psychiater Viktor Frankl schreibt in seinen Büchern, wie die ständige Suche nach dem Sinn des Lebens ihn drei Jahre in einem Konzentrationslager überleben ließ. Sein Ansatz der Psychotherapie (Logotherapie genannt) basiert auf dem existenziellen Bedürfnis, im eigenen Handeln einen Sinn, der über die eigene Person hinausgeht und ein größeres System einschließt, zu erkennen und wahrzunehmen.


Fehlende Vision und die Folgen

Was kann passieren, wenn der Bezug zur Vision bröckelt? Im Unternehmen tritt Eigeninteresse an die Stelle gemeinsamer Interessen. Als Gegenmaßnahme ziehen hierarchisch orientierte Führungskräfte die Zügel der Kontrolle an, was wiederum Angst vor Autonomieverlust verursacht. Und Angst ist der Nährboden aller Konflikte.

Es ist naturgegeben, dass Konflikte auf Grund charakterlicher Differenzen entfachen, aber diese sind nicht die Ursache. Ziehen alle Beteiligten am Strang einer überzeugenden, gut kommunizierten und machbaren Vision finden auch unterschiedliche Charaktere sehr wohl Wege zu guter Zusammenarbeit.


Mit Management Constellations Konflikten auf den Grund gehen

Management Constellations, eine für die Anwendung in Unternehmen optimierte Variante der Systemaufstellungen, bietet methodisch verschiedene Modelle, um den von Konflikten geprägten Unternehmensdynamiken auf den Grund zu gehen.

Das Epidauros-Modell zum Beispiel analysiert die Kommunikation in der Organisation auf sechs Abstraktionsebenen und zeigt unter anderem die Beziehung zwischen Vision, Werten, Prozessen und Zielen auf. Es zeigt sehr deutlich, ob die bestehenden Konflikte mit einer verblassten Vision in Zusammenhang stehen, ob es Widersprüche in den erklärten und gelebten Werten gibt, ob eine dysfunktionale Konfiguration von Geschäftsprozessen vorliegt oder auch ein System unvereinbarer Ziele. Eine genaue Diagnose der Dynamik macht es möglich, entsprechende Eingriffe zu planen. Wenn die Vision nicht klar und stark ist, hat es keinen Sinn, sich auf Ziele oder Prozesse zu konzentrieren, auch wenn es verlockend ist.


Praxisbespiel: Konflikte nach Firmenübernahme

Ein unvergessenes Beispiel: In der Entwicklungsabteilung eines großen Werkzeugmaschinenherstellers war es zu sehr heftigen Konflikten gekommen, weshalb einige Ingenieure bereits mit Kündigung drohten. In der Epidauros-Aufstellung platzierten die Kollegen der Entwicklungsabteilung die Vision des Unternehmens in einer hinteren Ecke.

Was war geschehen? Das Unternehmen war kurz zuvor von den Gründern an einen multinationalen Konzern verkauft worden. Das neue Management hatte ein Entwicklungs- und Konstruktionsprogramm auferlegt, das für die Abteilungsmitglieder keinen Sinn ergab.

Wir schlugen vor, über folgende Frage nachzudenken: "Welchen Sinn kann unsere Arbeit innerhalb eines großen multinationalen Unternehmens finden, damit wir einen Beitrag leisten können, der uns genauso stolz macht wie früher?" Gemeinsam wurde eine Bestandsaufnahme der in der Abteilung vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten aufgestellt. Alle Ängste und Widerstände kamen ans Licht. Unbeantwortet gebliebene Fragen wurden identifiziert. Schließlich entwickelten die Teilnehmenden einen Vorschlag, wie die Integration in das neue System gelingen könnte und ihre Erfahrungen und Fähigkeiten genutzt und wertgeschätzt würden.

Von Konflikten war von dem Zeitpunkt an keine Rede mehr.

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